Montag, 26. Mai 2014

„Normales“ Leben für Mädchen und Frauen mit Behinderung?


Dieser Artikel wurde zuerst als Gastbeitrag bei den denkerinnen veröffentlicht.

Was meint eigentlich „Behinderung"? Für mich persönlich macht das Wort ehrlich gesagt keinen Sinn, denn Menschen, die diese Zuschreibung von der Gesellschaft erhalten sind doch nicht „behindert“. In diesem Wort schwingt für mich immer die Beschreibung eines Menschen als defizitär mit. Vor diesem Hintergrund mutet es auch teilweise seltsam an, wenn Menschen mit Handicap ein „normales Leben" für sich einfordern. Was ist denn schon normal? In der Vorstellung einer Industriegesellschaft sind „normale“ Menschen in erster Linie gesunde Menschen, die problemlos Leistung (in Form von Arbeit) erbringen.

Menschen mit Handicap mögen zwar gewisse körperliche oder geistige Einschränkungen und andere Bedürfnisse als die Mehrheit der Gesellschaft haben, dass jedoch diese so genannten Abweichungen von der Norm, überhaupt so stark ins Gewicht fallen, liegt an der Gesellschaft, in der die Menschen mit Handicap leben. Und somit an uns allen und daran wie wir öffentliche Räume, aber auch Wohnungen und private Einrichtungen wie Kino, Theater, Disco etc. gestalten. Diese Räume sind selten inklusiv gestaltet. Somit werden Menschen mit Handicap hiervon oft ausgeschlossen und/oder ferngehalten. Wäre es dagegen die Regel, dass Bordsteine abgesenkt oder Informationen für Blinde in Audio oder Blindenschrift verfügbar sind, würde kein Mensch von Behinderten sprechen. Denn nicht die Menschen mit Handicap sind behindert, sie haben nur andere Bedürfnisse und werden deshalb behindert. Die Gesellschaft stellt – im Wahrsten Sinne des Wortes! – Barrieren auf und behindert. So scheint mir die Forderung nach einem selbstbestimmten Leben treffender.

Selbstbestimmt meint, dass beispielsweise junge Frauen im Rollstuhl mit jeder Straßenbahn fahren können und nicht auf die abgesenkte Bahn warten müssen, dass es möglich ist sich frei für eine Ausbildung oder ein Studium in einer anderen Stadt entscheiden zu können, da es überall genügend geeignete Wohnplätze gibt. Es wird bei diesem wenigen Beispielen schnell klar, von einer Gesellschaft, die die gleichen Möglichkeiten für alle ihre Mitglieder bietet sind wir noch weit entfernt. Selbstbestimmt heißt allerdings auch, dass Menschen mit besonderen Bedürfnissen nicht diskriminiert werden dürfen und ihnen die gleichen Chancen und Möglichkeiten gegeben werden, wie allen anderen auch. Hiervon sind wir weit entfernt, wie der UN-Bericht zu Gewalt an Mädchen und Frauen zeigt. So erfahren Frauen mit Handicap Mehrfachdiskriminierungen, es hat jede Zweite (!) sexuellen Missbrauch oder sexuelle Übergriffe erlebt. Besonders betroffen sind Mädchen und Frauen mit geistiger Beeinträchtigung, Gehörlosigkeit oder wenn sie besonders intensiver Pflege- oder Betreuung bedürfen. Bei den aufgeführten Gruppen besteht in der Regel ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis der Frauen und Mädchen mit einer oder mehreren Personen aus ihrem engsten Umfeld und hiermit verbunden das erhöhte Missbrauchsrisiko. Die Täter*innen sind in fast allen Fällen bekannt oder verwandt.

Wir stehen also (immer noch?) am Anfang beim Kampf gegen Sexismus und Mehrfachdiskriminierung. Das bedeutet wir müssen uns für eine neue Form der Bildungsarbeit und ein Umdenken in den relevanten Gremien einsetzen, damit Vielfalt anerkannt wird, in (inter-)kultureller Hinsicht, in Bezug auf Geschlechterrollen und auf individuelle Beeinträchtigungen. Eine gerechte selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen fängt im Bildungswesen an. Wenn Kinder mit besonderen Bedürfnissen keine öffentlichen Grundschulen besuchen dürfen oder Kinder wegen ihrer sexuellen Identität ausgegrenzt und so von Anfang an außerhalb der Gesellschaft gestellt werden, muss hier angesetzt werden. Der Zugang zu Bildung gilt nicht umsonst als eines der wichtigsten Menschenrechte, da Bildung die Basis für das restliche (berufliche) Leben ist. Auch der Kampf gegen frauenverachtende und sexistische Strukturen, die Vergewaltigung beispielsweise nicht ausreichend ahnden, sollte bereits früh ansetzen. Wenn Kinder bereits lernen, was Konsens bedeutet und dass keine Antwort nicht automatisch ein Ja ist, wäre schon viel verändert.

Erfreulicherweise wird aktuell, vor allem auf Landes- und kommunaler Ebene, Inklusion immer mehr zum Thema. Verkürzt gesagt, meint das Konzept von Vielfalt und Inklusion, dass vielfältige Lebensformen, Körperformen, geschlechtliche Identitäten, kulturelle Hintergründe usw. nicht mehr als Sonderfälle oder so genannte „Normabweichungen“ betrachtet werden. So soll vor allem (Mehrfach-)Diskriminierungen vorgebaut werden. Diese Entwicklungen begrüße ich sehr und hoffe, dass die Bedeutung von inklusiver Politik in den Köpfen der Menschen sich mehr und mehr verankern wird, dass wir als Gemeinschaft hieran arbeiten und dass auch in der Politik Vielfalt, Inklusion und Chancengleichheit als Prämissen für eine gerechte Gesellschaft verstärkt in den Fokus rücken. Deshalb: Mehr Vielfalt, mehr Inklusion und Chancengerechtigkeit und weg mit den Barrieren – auf den Straßen und in den Köpfen!




Fotoquelle: "A world of beautiful diversity creates happiness" von Purple Sherbet Photography, Creative Commons-Lizenz.

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